Goldkristall aus Clermont Gold Feld, Central Queensland, Australien

Der Goldhändler

30. März 2023 | Geschichte

Verfasser: Ernst Rupp, Steffisburg

 

Als wir uns in den USA aufhielten, erwähnten wir gegenüber Goldsuchern, dass wir beabsichtigen, Australien zu besuchen. Eine Frau sagte uns darauf, dass ein Goldhändler oft am Dienstagvormittag in einem bestimmten Restaurant anzutreffen sei, wo er mit Gold handle. Dieser fliege mehrmals pro Jahr nach Australien, um dort Gold zu kaufen. Vielleicht könnte dieser uns über die Goldsuche in Australien Auskunft geben. Also begaben wir uns am Dienstag ins fragliche Restaurant und sahen sofort um einen Tisch ein Klüngel Leute herumstehen. Nur mühsam gelang es uns, auf den Tisch zu sehen, wo ein älterer Mann Unzengläschen voll Gold oder Nuggets an Interessierte verkaufte. Alles ging sehr schnell und Rollen von Dollars wurden über oder unter dem Tisch dem Verkäufer zugesteckt. Ganz plötzlich war alles fertig, die Leute verzogen sich und der Verkäufer trank noch seinen Kaffee fertig und verliess das Restaurant. Wir folgten ihm und sprachen ihn draussen an. Zuerst war er abweisend, war aber dann doch bereit, mit uns zu sprechen. Und so lernten wir John Fickett, welcher den Übernamen "Rattlesnake John" trug, kennen.

John Fickett wuchs in der Gegend von Chicago auf und trat nach der Schulentlassung in die Army ein. Nach dem Tod seiner Ehefrau verliess er die Army und zog in den Südwesten der USA, wo er bei verschiedenen Mingesellschaften als Wachmann arbeitete. Als er dort einmal zur Mittagszeit auf einer Bank sass, kroch eine Klapperschlange vorbei, hob den Kopf und stieg in sein Hosenbein bis zum Knie hinauf. Danach zog sie sich wieder zurück und verschwand. Einige Kumpels sahen starr vor Schreck zu und von diesem Zeitpunkt an wurde ihm der Übername "Rattlesnake John" angehängt. Während dieser Zeit begann er auch im kleinen Stil mit Gold zu handeln. Mit zwei Kollegen unternahm er eine Reise nach Australien und stellte fest, dass dort schöne Nuggets besser zu kaufen waren als in den USA. Und so flog er danach stets etwa sechs bis zehn Mal pro Jahr nach Australien, kaufte dort Gold und verkaufte es in den USA.

John zeigte sich schliesslich bereit, dass wir ihn bei seinem nächsten Aufenthalt in Dunolly (Victoria) in Australien treffen könnten. Von Sidney her kamen wir mit unserem Bushcamper aber einen Tag später als abgemacht in Dunolly an. Doch hatten wir Glück, wir begegneten John, als er eben in ein Auto steigen wollte. Wir durften ihn in eine "Milk Bar" begleiten, wo er mit Goldverkäufern verhandeln wollte, mussten aber zwei Tische entfernt Platz nehmen. Schon bald erschien ein Goldverkäufer und nach kurzem Handel wechselten Gold und Geld den Besitzer. Draussen vor der Milk Bar sahen wir andere Goldverkäufer. Sobald einer das Lokal verliess erschien der nächste. Wir merkten selber, dass den Goldverkäufern unsere Anwesenheit und Aufmerksamkeit aber nicht passte. Und so bat uns John nach dem dritten Verkäufer, das Lokal zu verlassen. Später erzählte uns John sein Vorgehen. Er meldete seine Ankunftszeit stets etwa eine Woche vorher einem Goldprospektor in Dunolly. Dieser stellte ihm während des Aufenthalts einen kleinen Wohnwagen und ein geländegängiges Fahrzeug zur Verfügung. Zudem benachrichtigte er die Goldprospektoren im weiteren Umkreis von Dunolly. Lebte ein Prospektor weit weg und hatte viel Gold zu verkaufen, so fuhr John zu ihm und tätigte den Handel dort. Wenn es um wirklich grosse Beträge ging, so fuhr John mit dem Verkäufer zu einer Bank in Maryborough, wo er über grössere Beträge verfügen konnte, und der Handel wurde dann in der Bank abgeschlossen.

John war hauptsächlich am Kauf von schön geformten und grossen Nuggets interessiert. Er zeigte uns dort ein Nugget, welches auf einer Seite einen Auswuchs in der Form eines Adlerkopfes hatte. Solche Nuggets würden in den USA gute Preise erzielen. Doch kaufte er nicht nur Nuggets, sondern in abgelegenen Gebieten auch gewöhnliches Gold. Dadurch erhielt er einen guten Namen als Goldkäufer, weil er nicht nur die besten Stücke herauspickte, und so zogen es viele Prospektoren vor, ihm ihr Gold zu verkaufen.

Zurück in den USA kamen wir noch oft mit John Fickett zusammen. Hatte er viel  Gold bei sich, so wurde er von einem Bodyguard begleitet. Zweimal zeigte er uns ein über ein Kilo schweres Nugget. Auch besuchten wir ihn einmal in seiner Sommerresidenz in Silver City, New Mexico, auf gut 1800m Höhe, wo es im Sommer nicht unerträglich heiss wurde. Auch dort zeigte er uns einen Teil seiner neusten Ankäufe. Er sagte uns auch, wenn man in Nuggets investieren wolle, so sollten diese mindesten eine Unze oder noch besser zwei Unzen wiegen. Mit den grossen Nuggets fuhr er stets nach Las Vegas und verkaufte sie dort. Wo genau er dies dort machte, wollte er  uns aber nie verraten.

Ganz plötzlich bekam John Gleichgewichtsstörungen und konnte nur noch mit einem Stock gehen. Er zog in die Gegend von Chicago, wo seine drei Töchter lebten. Etwa ein halbes Jahr später starb John, er hatte beschlossen, einfach nichts mehr zu essen.

 

 

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