Die mit Waschgold aus der Grüene geschmückte Kirchturmspitze in Heimiswil
13. Oktober 2022 | Geschichte
Verfasser: Michael Soom, Heimiswil
Renovation der Kirchturmspitze in Heimiswil im Jahr 1883
Nach dem Bauernkrieg herrschten in Heimiswil arge kirchliche Missstände, weil keine eigene Pfarrei bestand und der von Burgdorf eingesetzte Prädikant neben seiner Tätigkeit als Lehrer ebenfalls für den Gottesdienst in der Siechenkapelle zuständig war. In diesem Umfeld nahm das Täufertum rasch zu und der Heimiswilgraben wurde zeitweise auch als «Täufergraben» bezeichnet. Auf mehrmaliges Ersuchen der Kapitelversammlung in Burgdorf entschloss sich die Berner Regierung im Jahr 1703 , Kirche und Pfarrhaus auf eigene Kosten erstellen zu lassen, wenn Burgdorf die Baumaterialien dazu liefern würde. Zudem beschloss der Grosse Rat von Bern, Heimiswil mit Busswil und den umliegenden Anhöhen in eine neue Pfarrei zu vereinigen.
Der Bau der Kirche und des Pfarrhauses erfolgte unter der Leitung des Münsterbaumeisters Samuel Jenner (1653-1720), wurde zügig vorangetrieben und war bereits im Jahr 1704 abgeschlossen. Der damalige Kirchenbau umfasste einen im Osten um eine Stufe erhöhten Saalbau mit einem gewölbten Dachstuhl und einem Dachreiter. Nach wenigen Jahrzehnten stellten sich aber Bauschäden ein, indem der zu schwere Dachstuhl die Mauern auseinanderdrückte. In den Jahren 1813/14 musste der Dachstuhl abgerissen und durch den heutigen grossen Frontturm ersetzt werden. Der Steinhauermeister Christen Gugger (1764-1828) von Heimiswil und Zimmermeister Jakob Schmied aus Oberburg wurden mit den Arbeiten beauftragt.
Im Jahr 1883 wurde die Kirchturmspitze renoviert. Dabei wurde die Blechbüchse mit der Denkschrift von Pfarrer Kupferschmid aus dem Jahre 1813 geöffnet und mit neuen Dokumenten versehen. Der Spengler Aeschlimann brachte die Blechbüchse wieder auf der Turmspitze an. In der Chronik von Robert Schorer (1841-1903), der in der Gemeinde Heimiswil von 1870 bis 1903 als Pfarrer wirkte, ist überliefert, dass das Kreuz auf der Turmspitze neu vergoldet werden sollte. Es war vorgesehen, für diese Arbeit den Goldschmied Neukomm aus Burgdorf beizuziehen.
In den Protokollen der Kirchgemeinde vom 25. Februar 1883 findet sich der Hinweis, wonach ein Ausschuss mit den Herren Aebi und Steffen gebildet wurde, der mit Neukomm bezüglich des Preises zu verhandeln hatte. Von speziellen Interessen ist die Angabe, wonach für diese Arbeit Waschgold aus der Grüene bei Sumiswald verwendet wurde.
Im Kanton Bern nur wenige gesicherte Nachrichten über die Verwendung des in den Bächen und Flüssen des Napfgebietes in der Vergangenheit gewonnenen Waschgoldes vorhanden. Das Napfgold wurde wahrscheinlich mehrheitlich an einheimische Goldschmiede verkauft. So geht aus dem Festalbum zur dritten schweizerischen Industrie-Ausstellung in Bern von 1857 hervor, dass Heinrich Schmied von Bern Schmuck aus bernischem Waschgold angefertigt habe.
Die Grüene und ihre Goldvorkommen
Die Grüene entspringt am Nordrand des Napf, fliesst unter dem Namen Hornbach nach Wasen, wo sie den Churzeneibach aufnimmt, geht nun als Grüne bei Sumiswald vorbei und mündet nach einem 19 km langen Lauf bei Ramsei in die Emme. Im Einzugsgebiet der Grüene stehen Gestein der Molasse an, welche aus Mergel, Sandstein und Konglomeraten („Nagelfluh“) bestehen. Die „Nagelfluh“ enthält bis zu 30 % Komponenten aus kristallinen Gesteinen, darunter rote und grüne Granite, Gneise, Amphibolite, Gabbros, Serpentinite und ophiolithische Gesteine, welche aus Basalten hervorgegangen sind. Diese Gesteine stellen den Abtragungsschutt aus den südlich gelegenen Alpen dar und wurden vor ca. 10 bis 15 Millionen Jahren als Napfschuttfächer in die mittelländische Senke zwischen den Alpen und dem Juragebirge abgelagert. Das Gold in der Grüene und ihrer Zuflüsse stammt aus der „Nagelfluh“, aus welcher es durch Verwitterungsprozesse befreit und in den Kiesbänken angereichert wurde.
Aus der preisgekrönten Schrift von Pfarrer Samuel Rudolf Fetscherin «Versuch einer Topographie der Gemeinde Sumiswald 1826» geht hervor, dass bis anfangs des 19. Jahrhunderts sowohl im Hornbachgraben wie auch im Churzeneigraben Gold gewaschen wurde. Das Gold findet sich bevorzugt in Bereichen, wo der Bach eng eingeschlossen ist und der Kies lange aufeinander lag. Die Arbeiter haben einen Waschbock vor sich, auf welchem oben ein Kistchen befestigt ist. In dieses wird der Kies gemeinsam mit dem Wasser mit einem Schöpfeimer mit langem stiehl (Gohn) befördert, der Kies abgeworfen und der Sand über den mit einem wollenen Tuch überzogenen Bock herabgeschwemmt. Das Gold bleibt in der Form sehr feiner Blättchen in der Grösse von höchstens 2 bis 4 mm, meist aber kleiner, zurück. Durch mehrfaches Ausschwemmen wird der Sand davon geschieden. Mit Quecksilber wird das Gold amalgamiert und in kleinen Stückchen von 4 bis 16 Gramm an Goldschmiede verkauft. .. der rötlichbraune Sand wird als Schreibsand verkauft.
Offenbar führte die Goldwäscherei nicht zu grossem Reichtum: so erwähnt Albert Jahn (1857), dass in der Gegend von Wasen und dem Hornbach von ärmeren Leuten mit geringem Gewinn Goldsand gewaschen wurde.
Im 2. Weltkrieg vom Büro für Bergbau in der Grüene und Churzeneibach ausgeführte Waschversuche ergaben mittlere Goldgehalte von 0.15 Gramm pro Kubikmeter Kies. Als weitere goldführende Bäche im Einzugsgebiet der Grüene werden der Laternen- und Dürrgraben aufgeführt.
Im Rahmen seiner Lizentiatsarbeit untersuchte Peter Malach den Goldgehalt in den Kiesbänken der Grüene und ihrer verschiedenen Zuflüsse. Malach beprobte grobe Schotter ober- und unterhalb von Schwellen, trennte die Fraktion < 4mm ab, reicherte die Schwermineralfraktion mittels Pfanne an und verwendete für die weiteren Untersuchungen die Fraktion zwischen 0.177 und 1.0 mm. Während im Hornbach und Churzenei Gold nicht nachweisbar war oder nur im Spurenbereich auftrat, stellte er einen zunehmenden Goldgehalt von 0.01 bis 0.1 Gramm pro Tonne Kies in der Grüene unterhalb von Sumiswald und im unteren Abschnitt des Dürrbaches fest. Die Variationen im Goldgehalt dürften ein Abbild der lokalen Ablagerungsverhältnisse und nicht durch den Goldgehalt im Molasseuntergrund bedingt sein.
Unterhalb von Wasen finden sich in der Grüene ab und zu Schlacken mit einem hohen Eisenanteil, welche Zeugen einer alten Eisenverarbeitung im Einzugsgebiet sind. Im Mittelalter wurde Eisen durch Ausschmieden von Fremdstoffen gereinigt. Obgleich sich im Tal der Grünen keine abbauwürdigen Vorkommen von Eisenerz befinden, dürften der Reichtum an Wald und die Gewinnung von Holzkohle Ursache für die alte Eisenbearbeitung sein.
Heute sind der Flusslauf der Grüene und ihrer Zuflüsse intensiv mit Sperren verbaut. Im Sommer fallen besonders der Churzenei- und Hornbach oft trocken und die Möglichkeiten zum Goldwaschen sind in der heutigen Zeit stark eingeschränkt.
Eisen (Fe) | 34.7 % |
Calcium (Ca) | 10 % |
Nickel (Ni) | Spuren |
Kupfer (Cu) | Spuren |
Arsen (As) | Spuren |
Röntgenfluoreszenz-Messung des Metallgehaltes der Eisenschlacke aus der Grüene, Wasen.
Weiterführende Literatur
Büro für Bergbau (1947): Der schweizerische Bergbau während des zweiten Weltkrieges.
Jahn, A. (1857): Chronik oder geschichtliche, ortskundige und statistische Beschreibung des Kantons Bern.
Leuenberger (1978): Heimiswil einst und jetzt.
Malach, P. (1987): Untersuchungen an Goldvorkommen in den Sedimenten des westlichen Napfgebietes. Lizentiat Mineralogisch-petrographisches Institut Bern (unpubl.).
Sigrist, D. (2021): Sumiswald vor zweihundert Jahren. Pfarrer Rudolf Fetscherins Gemeindeporträt von 1826 in einer zeitgemässen und illustrierten Bearbeitung.
Schmidt, C. (1917): Karte der Fundorte von Mineralischen Rohstoffen in der Schweiz 1:500‘000 mit Erläuterungen. Basel, Birkhäuser.
Schweizerische Industrieausstellung (1857): Schweizerisches Fest-Album. Historische Beschreibung der Haupt-Begebenheiten und der Volksfeste in der Bundesstadt Bern. C. Langlois, Burgdorf.
Soom, M. und Fankhauser, H. (2023): Die Eheleute Lea Schorer-Fankhauser und Pfarrer Robert Schorer und seine Chronik von Heimiswil. Burgdorfer Jahrbuch 2023.